Steffi Schönlinner und Reimund Fandrey
PNP| Stand 10.07.2022, 18:34 Uhr
Neuötting. Es war eine Zitterpartie und anfangs schien es noch, als müsse man das überschaubar eingetrudelte Publikum am Samstagabend wegen moderat tröpfelndem Nass doch noch in den Stadtsaal bitten. Die swingenden Musik-Profis Steffi Schönlinner (Gesang) und Reimund Fandrey (Gitarre) ließen sich jedoch nicht beeindrucken und trotzten der feuchten Witterung im Winkler-Hof zunächst unter einem riesigen Sonnenschirm und siehe da; sogleich war die letzte Wolke ausgewrungen und das Arkadenhof-Konzert konnte trocken über die Bühne gehen.
Unter einem großen Schirm begannen Steffi Schönlinner und Reimund Fandrey ihre Darbietung, doch dieser Regenschutz war bald nicht mehr nötig. −Foto: sk
Milde Temperaturen, ein ansprechendes Ambiente und beschwingte Musik: was will man mehr? Steffi Schönlinner aus Tittmoning und
Reimund Fandrey aus Erlbach verstehen es wie nicht viele ihrer Zunft, ihr Publikum mit leidenschaftlich dargebotenem Notenwerk und pointenreichen Geschichten drum herum in launiger Weise zu unterhalten, ja regelrecht zu fesseln.
Sie, die profunde Jazz-Sängerin und er, der Gitarrist mit Studium am Salzburger Mozarteum, hatten sich im März 2020 gefunden. „Und jetzt
samma da“, gibt Schönlinner lachend Auskunft. Was eine solide ausgebildete Stimme und eine virtuos gespielte Gypsy-Gitarre an Klangmaterial transportieren können, darüber kann man in der Folge nur staunen. In ihrem homogenen, wie auch hoch professionellen Auftritt
bringen Schönlinner und Fandrey nicht nur swingende Evergreens zu Gehör, sie schlagen auch musikalische Brücken zwischen Klassik und Pop oder transformieren Bill-Board-Hits zurück in die Klangwelt der dreißiger Jahre.
„Überall steckt Swing drin“, meint Reimund Fandrey, während er mit und ohne Plektron, in geübtem Fingerstyle, mit rasanten Läufen und bizarren Phrasierungen seine Gitarre bearbeitet oder an der Loop-Station eine zusätzliche Tonspur erstellt. Dazu diese herrlich druckvolle, aber dennoch schmeichelnde und auf den Punkt artikulierte Stimme von Steffi Schönlinner: eine explosive Verbindung. Da hört man ein stark interpretiertes „La vie en rose“, ein „Blackbird“ von den Beatles, dass sich mit der e-moll-Bourrée von Bach verquickt, Nirvanas „Teen Spirit“ im Vintage-Kleid des vorigen Jahrhunderts und ein „Poker-Face“, das Henry Purcells „Coldsong“ aus der Semi-Oper „König Arthur“ die Hand reicht, um nur einige zu nennen. Und über allen schwebt ganz unvermeidlich der Swing.
Ein ganz besonderes Hör-Schmankerl: Das mit summender Shruti-Box und orientalischer Lautmalerei inspirierte „Caravan“ (Duke Ellington), in welchem fast unmerklich Sequenzen aus „Norwegian Wood“ auftauchen. Einfach genial. Zugaben? Natürlich! Denn, klar: Solche Swing-Akrobaten lässt man am Ende ja nicht einfach gehen. − Sylvia Kuhnert